Montag, 23. Juli 2012

Warum starb Ousman Sey - Redebeitrag



Im Folgenden dokumentieren wir noch einmal unseren Redebeitrag, den wir auf der Kundgebung in Gedenken an Ousman Sey, am 17.Juli hielten:






Redebeitrag: Warum starb Ousman Sey?
Mahnwache 17.Juli 2012
Als Ousman Sey am Morgen des 7.Juli in Polizeigewahrsam in  Dortmund zusammenbrach, hatte er sich bereits mehrere Stunden vergeblich um ärztliche Hilfe bemüht. Um 6:30 Uhr rief der aus Gambia stammende 45-Jährige erstmals den Notdienst, weil er sich sehr schlecht fühlte. Die herbeigerufenen Sanitäter konstatierten Herzrasen, fühlten sich aber nicht veranlasst, Ousman in ein Krankenhaus zu bringen. Um 7:00 Uhr dann trafen diese Sanitäter ein zweites Mail ein. Ousman krampfte mittlerweile, war panisch geworden und trotzdem (!) sahen die Sanitäter keine Veranlassung Ousman auch nur medizinisch zu behandeln! Stattdessen wurden nun die Polizei hinzugezogen, denn Ousman hatte in seiner Todesangst wohl eine Scheibe eingeschlagen. Die Polizisten führten den zweifachen Vater dann trotz entgegenlautenden Hinweisen einer Krankenschwester aus der Nachbarschaft in Handschellen(!) als ,Randalierer‘ ab. In polizeilicher Gewahrsam schließlich, brach Ousman zusammen und starb noch auf dem Weg in ein Krankenhaus.
Wir fragen: 
Wie kann ein Mensch, der offensichtlich ärztliche Hilfe benötigt, in Handschellen (!) in Polizeigewahrsam gebracht werden?
- Warum haben die Sanitäter trotz offensichtlich drohendem Herzinfarkt keine Anstalten unternommen, Ousman Sey in ärztliche Behandlung unterzubringen?
Die erhobenen Rassimusvorwürfe gegen Sanitäter und Polizei wiesen diese sofort von sich. 
Sowohl Feuerwehr-Chef Dirk Aschenbrenner, als auch Polizeipräsident Norbert Wesseler behaupteten fest, es habe ,,keinen Rassismus“ gegeben. Der Polizeipräsident führte weiter aus, er könne auch ,,kein Fehlverhalten seiner Beamten erkennen.“
-Wir fragen uns, wäre der Polizeipräsident Norbert Wesseler der bestritt dass sich hier um rassistisch motivierte Unterlassung von Hilfe handle, auch erst in Polizeigewahrsam gekommen, wenn er den Rettungsdienst wegen Herzrasens kontaktiert hätte?  Bliebe Er ruhig sitzen, wenn er Todesangst litt und ihm Hilfe verwehrt blieb? (Quelle: ruhrnachrichten.de ,,Tod im Gewahrsam…‘‘ 10.07.12)
Auch wie Feuerwehrchef Aschenbrenner auf die Idee kommt, in seiner Behörde gebe es keinen Rassismus, erscheint uns fragwürdig. Immerhin hatte sein Vorgänger Klaus Schäfer aufgrund seiner Kontakte zu den Dortmunder Neonazis seinen Posten als Leiter des städtischen Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie verloren.
Trotz anderslautender Befunde der Obduktion, ließ Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel vor Dortmunder Presse verlauten, sie könne sich gut vorstellen Ousman Sey habe ,,Drogen oder Medikamente zu sich genommen.“ Ansonsten sei der Fall eine ,,ganz undurchsichtige Geschichte“. Die Presse nahm dies dankbar auf und ließ im Einklang mit der Pressemitteilung der Polizei weiter verlauten Ousman habe randaliert.
  • Wie kann es sein, dass Polizei und Presse, trotz der offensichtlich lebensbedrohlichen Umstände in denen sich Ousman befand, ihn als ,,Randalierer‘‘ pathologisiert?
  • Warum wird anstatt die Verantwortlichen für seinem Tod zu benennen, das Opfer zum Täter gemacht?
Es ist ein Mensch gestorben. Das ist traurig und wir drücken den Angehörigen unser Mitleid aus. Es ist aber nicht der Grund warum wir heute hier sind! Wir sind hier, weil dieser Mensch nicht hätte sterben müssen! Wir sind hier weil die Umstände seines Todes uns an die Todesumstände anderer Menschen in der Vergangenheit erinnern:
Mohammad Sillah, ein Flüchtling aus Guinea, war nur 23 Jahre alt, als er am 14. Januar 2007 starb. Er hatte sich wegen anhaltender Schmerzen eine Woche (!) um einen Krankenschein bei seinem zuständigen Sozialamt in Remscheid bemüht. Der Krankenschein wurde ihm verweigert mit der Begründung, er werde sowieso abgeschoben (!). Als seine Schmerzen dann unerträglich wurden und er doch in ein Essener Krankenhaus kam, war es schon zu spät. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden im Dezember 2007 eingestellt, das Sozialamt bestritt, dass Mohammad einen Krankenschein beantragt hätte. Aber viele Flüchtlinge aus Remscheid berichteten, dass sie tagtäglich mit  den Schikanen der Stadtverwaltung von Remscheid konfrontiert sind, und dass Vielen von Ihnen die medizinische Versorgung des Sozialamtes verweigert wurde.
Oury Jalloh starb 2005 ebenfalls unter ,Obhut‘ der Polizei. Er verbrannte in einer Dessauer Polizeizelle und soll sich trotz Fixierung auf einer feuerfesten Matratze selbst angezündet haben. Die Angehörigen Oury Jallohs müssen von einem vorsätzlich eingeleiteten Tod durch die Polizei ausgehen, trotzdem gibt es immer noch keine Verurteilung der verantwortlichen Polizisten.
Dominique Koumadio fand seinen Tod ebenfalls in Dortmund, am 14. April (?) 2006 starb er mit nur 23 Jahren. Getötet wurde er durch 2 gezielte Schüsse, von denen der zweite direkt in Herz traf. Die schießenden Polizisten wurden freigesprochen, sie hätten aus Notwehr gehandelt.
Diese Liste könnte beliebig  weitergeführt werden, noch einen Fall wollen wir hervorheben, weil er uns hier in Frankfurt unmittelbar betrifft. Wir, die Initiative Christy Schwundeck, haben sich vor ca. einem Jahr in Gedenken an die aus Nigeria stammende Frau Christy Schwundeck gegründet. Christy starb im Mai 2011 im mittlerweile geschlossenen Jobcenter Gallus hier in Frankfurt. Wie auch Dominique starb sie durch zwei gezielte Schüsse, der zweite ging direkt in ihren Bauch. Die Ermittlungen gegen die schießende Polizistin sollen jetzt eingestellt werden. 

Als weitere Opfer staatlichen Rassismus‘ und rassistischer Polizeigewalt zu nennen sind: Amir Ageeb, Mareame N‘Deye Sarr, John Achidi, Laye Conde und Slieman Hamade.
Wenn wir Ousman Sey gedenken, gedenken wir Ihnen. Keine und keiner wird vergessen, bis ihr Tod restlos aufgeklärt und die Schuldigen benannt und verurteilt sind. 
Rassistische Diskrimierung in der Gesundheitsversorgung, bei staatlichen Behörden, durch die Polizei betrifft uns alle! 
Wir fordern:
Aufklärung für Ousman Sey! Schon wieder starb ein Schwarzer Mensch in Gewahrsam der Polizei, schon wieder gibt es keine Schuldigen, schon wieder werden Opfer pathologisiert!
Wir fordern ein Gerichtsverfahren gegen die zuständigen Sanitäter und die Polizisten!
Für ein Ende der rassistischen Polizeiangriffe und der rassistischen Klassenmedizin!

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